Montag, 26. Oktober 2015

Märchenhafte Problemlösung 1

Der Herr Schneider aus dem vorigen Post ist nun schon einige Zeit unterwegs.
Wir erinnern uns, dass er an einem schönen Sommertag "mit einem Schlag" erkannte, dass er mehr ist als er bisher von sich hielt. Das kann uns auch passieren, denn der "Schneider in uns" ist Experte für den Umgang mit Gedanken-Fäden, mit denen er das, was er vorher mit seiner Schere mutig zerschnitten getrennt, unterschieden hat in eine neue Pass-Form zu bringen weiß, punktgenau wie eine Nadelspitz'. Diese Kombinationsgabe hat schon 'was. Und so hat manch einer schon plötzlich sein Lebens-Motto erkannt (den anderen sei es herzlich gewünscht), es auf eine Visitenkarte geschrieben und ist losgezogen. Diese "Schneidergürtel-Stickereien" müssen kurz und knackig sein, Erfolg versprechende Vorstellungen wecken und dennoch wahr sein. Versuchen Sie es mal, liebe Leser, mit Ihrem Lebens-Motto! Und dann: Auf geht's!
Natürlich bleibt bei jedem Aufbruch etwas von der Vergangenheit hängen - na ja, wer weiß wofür es gut ist?



Das Schneiderlein nahm den Weg tapfer zwischen die Beine, und weil er leicht und behend war, fühlte er keine Müdigkeit. Der Weg führte ihn auf einen Berg, und als er den höchsten Gipfel erreicht hatte, so saß da ein gewaltiger Riese und schaute sich ganz gemächlich um. Das Schneiderlein ging beherzt auf ihn zu, redete ihn an und sprach: »Guten Tag, Kamerad, gelt, du sitzest da und besiehst dir die weitläufige Welt? Ich bin eben auf dem Weg dahin und will mich versuchen. Hast du Lust, mitzugehen?«
Der Riese sah den Schneider verächtlich an und sprach: »Du Lump! Du miserabler Kerl!«
»Das wäre!« antwortete das Schneiderlein, knöpfte den Rock auf und zeigte dem Riesen den Gürtel. »Da kannst du lesen, was ich für ein Mann bin.«Der Riese las »Siebene auf einen Streich«, meinte, das wären Menschen gewesen, die der Schneider erschlagen hätte, und kriegte ein wenig Respekt vor dem kleinen Kerl.

Es überrascht nicht wirklich, dass mit diesem Selbstbewusstsein der Aufstieg gelingt, der Gipfel bald erreicht ist. Doch da kann man dann auf unangenehme "Riesen"-Probleme treffen. Jetzt ist es wichtig, Lebensmotto und Selbstvertrauen zu untermauern. Das flößt dem Problem Respekt ein. Es tut nun das, was alle unsere Probleme mit uns tun (für Plato war "problema"= Aufgabe): sie prüfen uns!

Doch wollte der Riese ihn erst prüfen, nahm einen Stein in die Hand und drückte ihn zusammen, dass das Wasser heraustropfte.
»Das mach mir nach«, sprach der Riese, »wenn du Stärke hast.«
»Ist's weiter nichts?« sagte das Schneiderlein. »Das ist bei unsereinem Spielwerk«, griff in die Tasche, holte den weichen Käs und drückte ihn, dass der Saft herauslief. »Gelt«, sprach er, »das war ein wenig besser?
«



Nun ist es offenbar die "Riesen-Aufgabe", den alten Käs' aus der Vergangenheit loszulassen.


Der Riese wusste nicht, was er sagen sollte, und konnte es von dem Männlein nicht glauben. Da hob der Riese einen Stein auf und warf ihn so hoch, dass man ihn mit Augen kaum noch sehen konnte.
»Nun, du Erpelmännchen, das tu mir nach.«
»Gut geworfen«, sagte der Schneider, »aber der Stein hat doch wieder zur Erde herabfallen müssen. Ich will dir einen werfen, der soll gar nicht wiederkommen«, griff in die Tasche, nahm den Vogel und warf ihn in die Luft. Der Vogel, froh über seine Freiheit, stieg auf, flog fort und kam nicht wieder. »Wie gefällt dir das Stückchen, Kamerad?« fragte der Schneider
.


Auch so ein liebgewordenes Gedanken-Vöglein (im echten Leben sind es wahrscheinlich mehrere) gilt es davonfliegen zu lassen im Prozess der Riesenproblem-Bewältigung - am besten so, dass es gar nicht mehr wiederkommt. In der Geschichte hört sich das ein wenig nach List an - macht nichts. Es hat schon Manchem geholfen sich selbst zu überlisten. Oder ist noch nicht bemerkt worden, dass alles, was das Märchen erzählt, sich in unserem Innern abspielt? C.G. Jung nannte es "die Bühne unserer Seele".

»Werfen kannst du wohl«, sagte der Riese, »aber nun wollen wir sehen, ob du imstande bist, etwas Ordentliches zu tragen.« Er führte das Schneiderlein zu einem mächtigen Eichbaum, der da gefällt auf dem Boden lag, und sagte. »Wenn du stark genug bist, so hilf mir den Baum aus dem Wald heraustragen.«
»Gerne«, antwortete der kleine Mann, »nimm du nur den Stamm auf deine Schulter, ich will die Äste mit dem Gezweig aufheben und tragen, das ist doch das schwerste.«
Der Riese nahm den Stamm auf die Schulter, der Schneider aber setzte sich auf einen Ast, und der Riese, der sich nicht umsehen konnte, musste den ganzen Baum und das Schneiderlein noch obendrein forttragen. Es war dahinten ganz lustig und guter Dinge, pfiff das Liedchen »Es ritten drei Schneider zum Tore hinaus«, als wäre das Baumtragen ein Kinderspiel. Der Riese, nachdem er ein Stück Wegs die schwere Last fortgeschleppt hatte, konnte nicht weiter und rief: »Hör, ich muss den Baum fallen lassen.« Der Schneider sprang behendiglich herab, fasste den Baum mit beiden Armen, als wenn er ihn getragen hätte, und sprach zum Riesen: »Du bist ein so großer Kerl und kannst den Baum nicht einmal tragen


Es scheint dem Märchenerzähler Spaß zu machen, uns zu zeigen, wie man mit Problemen "spielen" kann. 'Nimm sie nicht zu ernst, erachte sie als nicht zu bedrohlich, dadurch lässt du sie erst zu Riesen heranwachsen', scheint er zu sagen. 'Und wenn du ganz geschickt bist, bringen sie dich sogar auf deinem Weg voran.'
Möglicherweise haben Sie, liebe Leser, das sogar schon einmal erlebt?
Märchenhaft!


Soviel für heute - aller guten Dinge sind drei!


Und nun: Riesen-Erlebnisse erwünscht!
Lasst sie uns teilen.








Donnerstag, 15. Oktober 2015

Märchenhafter Erfolg


Nachdem die meisten Leser offenbar noch am Wunschfee-Rätsel knabbern,

möchte ich ein märchenhaftes Beispiel für gelingendes Leben anbieten, dass wahrscheinlich viele kennen, möglicherweise nicht mehr ganz präsent haben und ziemlich sicher noch nie darüber gedacht.

 

Hier ist die Geschichte:

An einem Sommermorgen saß ein Schneiderlein auf seinem Tisch am Fenster, war guter Dinge und nähte aus Leibeskräften. Da kam eine Bauersfrau die Straße herab und rief: »Gut Mus feil! Gut Mus feil!« Das klang dem Schneiderlein lieblich in die Ohren, er steckte sein zartes Haupt zum Fenster hinaus und rief: »Hierherauf, liebe Frau, hier wird Sie Ihre Ware los.«
Die Frau stieg die drei Treppen mit ihrem schweren Korbe zu dem Schneider herauf und musste die Töpfe sämtlich vor ihm auspacken. Er besah sie alle, hob sie in die Höhe, hielt die Nase dran und sagte endlich: »Das Mus scheint mir gut, wieg Sie mir doch vier Lot ab, liebe Frau, wenn's auch ein Viertelpfund ist, kommt es mir nicht darauf an.«
Die Frau, welche gehofft hatte, einen guten Absatz zu finden, gab ihm, was er verlangte, ging aber ganz ärgerlich und brummig fort.
»Nun, das Mus soll mir Gott gesegnen«, rief das Schneiderlein, »und soll mir Kraft und Stärke geben«, holte das Brot aus dem Schrank, schnitt sich ein Stück über den ganzen Laib und strich das Mus darüber. »Das wird nicht bitter schmecken«, sprach er, »aber erst will ich den Wams fertigmachen, eh ich anbeiße.«
Er legte das Brot neben sich, nähte weiter und machte vor Freude immer größere Stiche. Indes stieg der Geruch von dem süßen Mus hinauf an die Wand, wo die Fliegen in großer Menge saßen, so dass sie herangelockt wurden und sich scharenweis darauf niederließen. »Ei, wer hat euch eingeladen?« sprach das Schneiderlein und jagte die ungebetenen Gäste fort. Die Fliegen aber, die kein Deutsch verstanden, ließen sich nicht abweisen, sondern kamen in immer größerer Gesellschaft wieder. Da lief dem Schneiderlein endlich, wie man sagt, die Laus über die Leber, es langte aus seiner Hölle nach einem Tuchlappen, und »Wart, ich will es euch geben!« schlug es unbarmherzig drauf. Als es abzog und zählte, so lagen nicht weniger als sieben vor ihm tot und streckten die Beine.
»Bist du so ein Kerl?« sprach er und musste selbst seine Tapferkeit bewundern. »Das soll die ganze Stadt erfahren.« Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Gürtel, nähte ihn und stickte mit großen Buchstaben darauf »Siebene auf einen Streich!«
»Ei was, Stadt!« sprach er weiter, »die ganze Welt soll's erfahren!« Und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Lämmerschwänzchen. Der Schneider band sich den Gürtel um den Leib und wollte in die Welt hinaus, weil er meinte, die Werkstätte sei zu klein für seine Tapferkeit. Eh er abzog, suchte er im Haus herum, ob nichts da wäre, was er mitnehmen könnte. Er fand aber nichts als einen alten Käs, den steckte er ein. Vor dem Tore bemerkte er einen Vogel, der sich im Gesträuch gefangen hatte, der musste zu dem Käse in die Tasche
.

 

Da ich der Meinung bin, dass alle Märchen das menschliche Leben schildern, und die echten Märchenerzähler die perfekten Lebensberater waren und sind – die allerdings in einer Bildsprache sprechen – so möchte ich heute die Geschichte einfach für sich sprechen lassen, und bin gespannt, was meine Blogleser damit anfangen können, welche Impulse sie von dieser Erfolgsgeschichte bekommen.

 

Ich bin neugierig….


 

Wem das Antworten auf der Blogseite zu schwierig oder „sonstwas“ ist, kann mir auch gerne eine e-mail senden: Margareta.Bannmann@web.de